Mittwoch, 14. August 2013

Uwe Timm. Vogelweide

Ich habe diesen Roman verschlungen.
Wort für Wort und Satz für Satz.
Schon, wenn man das Buch aufschlägt, ist man verloren in dieser wundervollen, klugen und gefühlvollen Sprache.
"Die Insel verlagert sich langsam nach Osten. Drei bis vier Meter im Jahr, je nach Stärke der Winterstürme und Sturmfluten. Hier, wo er jetzt stand, war vor vierzig Jahren Wasser nur und Watt."
Eschenwald hat alles verloren, die Computerfirma, die Freundin, die Geliebte und das wunderschöne Loft mit Blick auf den Berliner Zoo. In eine tiefe Stille hat er sich zurück gezogen, beobachtet auf einer einsamen Nordsee-Insel Vogelschwärme. Wattvögel, Austernfischer und den seltenen Steinwälzer.
Er liebt die Ruhe, die Einsamkeit. Wie ein Eremit gibt er sich seinen täglichen Ritualen hin. Kaffee, Frühstück, Strandgut sammeln, Vögel beobachten.

Ein Anruf von Anna verändert diese meditative Stille und er beginnt, sich zu erinnern.
Wie er Anna und ihren Ehemann Ewald kennen lernte. Wie das Begehren begann, wie es immer stärker wurde. Und wie Anna seine Geliebte wurde. Und wie er, der doch mit seiner Freundin Selma glücklich war, Vorsätze aufgab. Wie er sich gemeinsam mit Anna befreit und haltlos gefühlt hatte. Ohne Takt und Moral. Ohne Rücksicht und Anstand. Ganz von Sinnen -

Immer wieder während des Erinnerns aber ist Eschenwald im Hier und Jetzt seines Inseldaseins. Beobachtet die Wellen, den Himmel, führt Gespräche mit Einheimischen. Man hat das Gefühl, dass es ihm in dieser tiefen Einsamkeit besser geht, fast beneidet man ihn um dieses Leben.
In den diversen Rückschauen erfahren wir auch, wie turbulent es einmal war. War es deshalb besser? Die Frage stellt sich gar nicht. Irgendwie hat jeder seinen neuen Platz gefunden. Egal, ob Selma, Ewald oder Anna. Und aus alter Wut und Trauer kann wieder etwas Neues entstehen.
Für mich der beste deutschsprachige Roman in diesem Sommer.







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