Dienstag, 8. Oktober 2013

Ian McEwan. Honig. Aus dem Englischen von Werner Schmitz

Sommer 1972. Serena ist 21 Jahre alt und hat auf Wunsch ihrer Eltern nicht Englische Literatur sondern Mathematik studiert. Sie langweilt sich. Blickt sie jedoch zurück in diesen Sommer, so erscheint er ihr "als goldenes Zeitalter, als kostbares Idyll." Denn es ist die Zeit, bevor sie beim britischen Geheimdienst MI5 zu arbeiten beginnt. Die Zeit vor all den Lügen.
Es beginnt wenig aufregend. Morgens ist sie zunächst eine von Tausenden, die im Minirock und zusammengepfercht in der
U-Bahn ins Büro fährt, wo sie den ganzen Tag auf eine riesige Remington einhämmert. Von Zigarettenqualm umhüllt.....

Endlich ein Auftrag. Die Operation Honig wird ins Leben gerufen. Bedeutende Autoren sollen vom MI5 finanziert und so in ihrer Meinungsbildung unbewusst gelenkt werden. Russland macht es so mit seinen Kulturschaffenden, warum nicht auch Groß-Britannien. Der Kalte Krieg tobt an allen Fronten.
Serena ist blond, jung, äußerst attraktiv und eine leidenschaftliche Leserin. 3-4 Bücher liest sie pro Woche, meist modernes Zeug aus Trödelläden oder Buchantiquariaten. Nach gewohnter Art schlingt sie die Bücher gierig in sich hinein von Jane Austen bis William Golding.
Und weil sie schnell Männer kennen lernt und Affären gegenüber nicht abgeneigt ist, scheint sie genau richtig für die Aufgabe. Noch klingt alles irgendwie harmlos und banal. Auch die leidenschaftliche Liebesgeschichte, die sich nun zwischen ihr und dem jungen Dichter Tom entwickelt.
Doch eine Gewitterwolke braut sich über der ahnungslosen Serena zusammen.
Nie findet sie den richtigen Zeitpunkt, um ihrem Geliebten von ihrer Tätigkeit zu beichten. Aber wie könnte sie auch! Damit wäre die Liebe vorbei, ihre Tarnung aufgeflogen.
McEwan beschreibt diesen inneren Kampf Serenas großartig.
Ebenso das London der 70er Jahre.
Auffällige Männer mit Hut und Trenchcoat beschatten noch "unauffällig" in dunklen Hauseingängen ihre Opfer. Briefe und Akten können einfach zerrissen und damit für immer vernichtet werden. Vor einem gläsernen Zeitalter warnen lediglich Autoren, so wie George Orwell in seinem Roman "1984".
Überhaupt geht es viel um Literatur!
Ich glaube, kürzer gefasste Textstellen aus Toms literarischem Schaffen hätten der Story gut getan. Die Inhalte waren mir oft zu ausführlich und für den Roman insgesamt gar nicht notwendig.
(Ergänzung am 15.10.: vielleicht war es McEwan dennoch wichtig, sie in aller Ausführlichkeit mit in den Text einfließen zu lassen, denn wie er auf der Lesung im Berliner Ensemble am 14.10. erklärt hat, seien das frühe Texte von ihm selbst!!!)

Manchmal war mir der Blick, waren mir die Gedanken von Serena zu kühl, fast zu männlich (erst am Ende wird klar, warum das so ist).

Doch insgesamt gesehen, hat McEwan ein großartiges und bis zum letzten Satz absolut schlüssiges Szenario um Liebe, Intrigen und Verrat entwickelt.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen